Technische Entwicklung
2021 ergriff die FIFA weitreichende Massnahmen für einen wirklich globalen Fussball – mithilfe der Förderung von Technologie, der Beschleunigung des Wachstums des Frauenfussballs, der Verbreiterung der internationalen Spitze sowie der Sicherung des Erfolgs ihrer prestigeträchtigen Wettbewerbe.
Fortsetzung der Tests mit halbautomatischer Abseitstechnologie
Während des gesamten Jahres liefen weitere Tests mit halbautomatischer Abseitstechnologie, so auch beim FIFA-Arabien-Pokal™ im November und Dezember. Bei der Living-Football-Show sprach der Vorsitzende der FIFA-Schiedsrichterkommission, Pierluigi Collina, von den wichtigsten Tests überhaupt.
Die Tests dienten der Optimierung der Technologie, wie sie die Vision 2020–2023 des FIFA-Präsidenten angesichts der Bedürfnisse des modernen Fussballs anstrebt. Pierluigi Collina erläuterte im Rahmen der Tests die Vorteile für Spieloffizielle und mögliche Anwendungsformen der Technologie.
„Technologie ist sowohl bei der Spielvorbereitung als auch im Entscheidungsprozess während des Spiels sehr wichtig und nützlich.“
„Technologie ist sowohl bei der Spielvorbereitung als auch im Entscheidungsprozess während des Spiels sehr wichtig und nützlich“, sagte er. „In einer Abseitssituation fällt die Entscheidung, nachdem nicht nur die Position, sondern auch die Beteiligung des Spielers am Spielzug analysiert wurde. Die Technologie kann relativ problemlos eine Linie ziehen, aber die Beurteilung, ob das Spiel oder ein Gegner beeinflusst wurde, ist weiterhin Sache des Schiedsrichters.“
Beim FIFA-Arabien-Pokal™ wurden in jedem Stadion unter dem Dach Kameras installiert. Die Daten zu den Gliedmassenbewegungen aus der Videoaufzeichnung wurden dann in den Video-Überprüfungsraum übermittelt, während die berechnete Abseitslinie und der Moment der Ballabgabe fast in Echtzeit an den Replay-Operateur übermittelt wurden.
Der Replay-Operateur konnte die Informationen dem VAR-Assistenten in einer Abseitsstation sofort zeigen, wo sie unverzüglich überprüft und bestätigt wurden.
Zukunft von Hochleistungsanalysen
Beim FIFA-Arabien-Pokal 2021™ wurde ein Expertenteam damit beauftragt, jeden einzelnen Spieler während jeder Sekunde eines Spiels zu analysieren. Diese Weltneuheit, die eine breite Palette an neuen Leistungsdaten liefert, steht ganz im Zeichen der FIFA-Vision, die internationale Spitze mithilfe von Technologie zu verbreitern.
Die Analysen verwenden die neue FIFA-Fussballsprache, die letzten November 2021 nach zweijährigen Vorbereitungen eingeführt wurde. Sie liefert allen Trainern und Spielern das nötige technische Fachwissen und fördert so den Fussball auf allen Stufen. Anhand dieser Daten soll auch bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2022™ das Verständnis für Trends im Spitzenfussball verbessert werden.
Getreu der Vision von Arsène Wenger, FIFA-Direktor für globale Fussballförderung, kann der Fussball mithilfe technischer Beobachtungen und Fussballdatenanalysen so besser erforscht und das Fanerlebnis optimiert werden.
„Die FIFA-Fussballsprache ist das Abc der Datenerhebung und hilft uns, das Spielgeschehen besser zu verstehen und Erkenntnisse daraus zu ziehen“, sagte Wenger.
Die Schlussfolgerungen, mögliche Massnahmen, Empfehlungen und Daten werden technischen Experten über verschiedene Programme oder Plattformen wie das neue FIFA-Ausbildungszentrum (eine Online-Fussballakademie) zur Verfügung gestellt.
Schulung von Schiedsrichterinnen und Video-Spieloffiziellen
Nachdem etwa zwei Jahre lang aufgrund der COVID-19-Pandemie nur Onlinesitzungen möglich waren, fand im Oktober 2021 wieder ein Schiedsrichterseminar als Präsenzveranstaltung statt.
Am Seminar in Doha (Katar) nahmen 20 Schiedsrichterkandidatinnen sowie fünf potenzielle Video-Spieloffizielle teil. Die Kandidatinnen, von denen es für die meisten das erste FIFA-Schiedsrichterseminar war, stammten aus der AFC, der CAF, der Concacaf und der UEFA.
Beim fünftägigen Seminar konnte die FIFA-Schiedsrichtersubdivision erstmals die neuen Anwärterinnen für die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2023™ begutachten, die vom 20. Juli bis 20. August 2023 in Australien und Neuseeland ausgetragen wird.
Die Kandidatinnen wurden täglich sowohl theoretisch als auch praktisch geschult, insbesondere in Bezug auf den Einsatz von VAR. Mithilfe von 40 Spielerinnen, die vom katarischen Fussballverband organisiert wurden, konnten zur Vorbereitung Spielszenen nachgestellt werden.
Geleitet wurde das Seminar von Kari Seitz, die der Frauensektion der FIFA-Schiedsrichterabteilung vorsteht und als Einzige bei vier FIFA Frauen-Weltmeisterschaften™ als Schiedsrichterin im Einsatz war. Morgens standen jeweils theoretische Übungen sowie Videoanalysen auf dem Programm.
„Die FIFA unternimmt viel zur allgemeinen Förderung des Frauenfussballs. Der Fokus auf den Frauenfussball ist enorm. Das Schiedsrichterwesen gehört zum Fussball. Wir setzen daher alles daran, das Schiedsrichterniveau bei Frauenwettbewerben weiter zu steigern.“
Eine Chance für jedes Talent
Im Mai 2021 veröffentlichte die FIFA die Erkenntnisse einer Studie zum globalen Ökosystem der Talentförderung, die deutlich machte, dass jedes Talent die Chance haben muss, entdeckt und gefördert zu werden.
Gegenstand der 14-monatigen Studie, die im Januar 2020 von der FIFA-Division für technische Entwicklung gestartet wurde, war eine Analyse des Jugendfussballs sowie der Talentförderungsmodelle und -strukturen rund um die Welt. Die erhobenen Daten wurden in einem globalen Bericht zum Zustand und zur Ausrichtung der Talentförderung sowie in Länderberichten für jeden der 205 beteiligten FIFA-Mitgliedsverbände zusammengefasst.
Gemäss dem Bericht bleiben viele Talente unentdeckt, z. B. aufgrund unzureichender Planung, Bildung, Infrastruktur und finanzieller Mittel für die Nachwuchsförderung.
Daraus abgleitet wurden verschiedene Aktionspunkte wie praktische Verbesserungsmassnahmen für die Verbände und andere an der Jugendförderung beteiligte Parteien.
„Jeder Mitgliedsverband sollte mit dem stärkstmöglichen Nationalteam sein Potenzial ausschöpfen können. Ein langfristiger Plan für die Talentförderung ist für den Erfolg zentral.“
VAR-Standardisierung
Im August 2021 veranstaltete das Team des FIFA-Qualitätsprogramms in Stockholm eine Testreihe für Anbieter von VAR-Systemen aus Europa und den USA zur formellen Zertifizierung ihrer Systeme.
Nach der erfolgreichen Premiere bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™ und der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Frankreich 2019™ hat sich der Einsatz von Video-Schiedsrichterassistenten rasant verbreitet. Bei Redaktionsschluss nutzten mehr als 100 Wettbewerbe die Technologie, um ihren Schiedsrichtern ein Hilfsmittel bei möglicherweise spielentscheidenden Situationen zur Verfügung zu stellen.
Das FIFA-Qualitätsprogramm liefert Wettbewerbsorganisatoren Richtlinien zur technischen Qualität der verschiedenen VAR-Systeme, damit die neuen von der FIFA und dem Fussball genutzten Technologien weltweit einheitlich angewandt werden.
Der Einsatz von VAR-Technologie in Spielen ist komplex und erfordert die Einrichtung zahlreicher Computer, Server, Bildschirme und Kabel. Während kleinere Systeme entwickelt und erste Tests mit VAR-light-Systemen durchgeführt werden, konzentrieren sich die Tests des FIFA-Qualitätsprogramms auf die Interaktion der gesamten Einrichtung und die Leistung des Systems in Bezug auf drei Hauptfaktoren: Verzögerung, Synchronizität und Videoqualität.
Wegweisende Gesundheitsstudie zu Spielerinnen
Im September 2021 kündigte die FIFA zusammen mit dem Bioanalytik-Unternehmen Orreco und der Western Sydney University Investitionen in die Erforschung der Gesundheit und der Leistung von Fussballerinnen zur Verbesserung künftiger sportwissenschaftlicher Systeme an.
Die Initiative unterstützt die Ziele der Vision 2020–2023 des FIFA-Präsidenten zur Beschleunigung des Wachstums des Frauenfussballs sowie zur Förderung von Technologie, indem sie dazu beiträgt, das wissenschaftliche Verständnis von Athletinnen zu verbessern.
Alle Empfehlungen zu Physiologie, Ernährung, Verletzungsmustern, Schlaf und Erholung basieren bisher auf Studien zu männlichen Athleten. Mit dieser Partnerschaft soll sich dies nun rasch ändern. Die Studienpartner wollen die Wissenslücke schnellstmöglich schliessen und konkrete Richtlinien und Empfehlungen vorlegen. Die Forschung soll anhand eines vollständig finanzierten Doktorandenstipendiums die Evidenzbasis für datengestützte Systemlösungen für die Unterstützung von Fussballerinnen nach sportwissenschaftlichen Ansätzen liefern. Schlaf und Erholung basieren bisher
Erstmals Videounterstützung bei Futsal-WM
Bei der FIFA Futsal-Weltmeisterschaft™ im September/Oktober 2021 in Litauen konnten die Schiedsrichter bei ihren Entscheidungen auf technologische Innovationen in Form von Videounterstützung zurückgreifen.
Das System bestand aus einem Videoüberprüfungsoperateur und einem Bildschirm am Spielfeldrand, auf dem sich die Schiedsrichter einzelne Szenen anschauen konnten. Die Schiedsrichter griffen auf die Videounterstützung zurück, wenn der Cheftrainer (oder in seiner Abwesenheit ein anderer bevollmächtigter Teamoffizieller) eines Teams eine Entscheidung der Schiedsrichter im Zusammenhang mit vier bestimmten Situationen anfocht (Tor/kein Tor, Strafstossszenen, direkte Feldverweise sowie Spielerverwechslungen).
Im Gegensatz zum Fussball stehen im Futsal keine festen Video-Schiedsrichterassistenten an TV-Monitoren im Einsatz. Im Futsal konsultieren die Schiedsrichter nur Videobilder, wenn Trainer eine Entscheidung anfechten. Wie im Fussball haben aber auch im Futsal die Schiedsrichter das letzte Wort.
Förderung von Technologie für die Fans
Im Juni 2021 präsentierte die FIFA den Fanerlebnisausschuss mit 25 Mitgliedern aus aller Welt, die bei verschiedenen Belangen auf und neben dem Spielfeld laufend konsultiert werden.
Der Ausschuss, in dem sechs Kontinente und 17 Länder vertreten sind, ist ein Ableger des FIFA Fan Movement und soll wertvolle Hinweise zur Entwicklung und Verfeinerung technologischer Innovationen liefern.
Er wird mit der FIFA-Subdivision für Fussballtechnologie und -innovation zusammenarbeiten, um den Fussball und das Erlebnis der Fussballfans getreu der Vision 2020–2023 des FIFA-Präsidenten mithilfe von Technologie zu verbessern.
Spielerdaten kompakt
Angesichts der wachsenden Nachfrage nach günstigeren Spielanalysetechnologien führte die FIFA innerhalb des FIFA-Qualitätsprogramms für elektronische Leistungs- und Aufzeichnungssysteme (EPTS) im Januar einen neuen Standard zur Demokratisierung von Fussballtechnologien ein.
Um mit dem technologischen Fortschritt mitzuhalten, muss sich das FIFA-Qualitätsprogramm ebenfalls laufend weiterentwickeln. Ein Beispiel ist die Nachfrage nach Spieler-Trackingdaten aus TV-Bildern, die durch die COVID-19-Pandemie noch verstärkt wurde. So sind vor Ort für die Datengenerierung weder Technologie noch Techniker erforderlich.
Dieser neue Standard, der als „Broadcast EPTS“ bezeichnet wird, bewertet Systeme, die Leistungsdaten von Spielern mithilfe von TV-Bildern generieren.
Die FIFA hat zur Überprüfung der Genauigkeit solcher Systeme ein spezielles Testverfahren entwickelt. Dieses soll Trainern, Scoutingabteilungen, Vereinen, Wettbewerbsorganisatoren und Zuschauern zudem Aufschluss über die Qualität dieser Softwareprodukte geben.